
Wer sind wir?
Die DEUTSCHE QIGONG GESELLSCHAFT e.V.
Auszug aus einem Vortrag von Herrn Lin Zhongpeng am 9./10.11.96 in Regglisweiler - 2. Teil
übersetzt von Arpad Romandy, zusammengefaßt von Heike Seeberger
Nachdem im vorigen Heft - aus aktuellem Anlaß vorgezogen - die Zusammenhänge von Tian, Di und Ren als theoretische Grundlage des Qigong dargestellt wurden, soll in diesem Heft die Bedeutung für das Üben erläutert werden. Doch zunächst holen wir etwas aus und machen einen Ausflug in die Entwicklung des Qigong in China, die in diesem Jahrhundert die Notwendigkeit der grundlegenden Ausbildung der Qigong-Lehrenden gezeigt hat. Dann soll der Frage nachgegangen werden: „Was ist Qigong?, Welche Grundbedingungen muß eine gute Qigong-Übung erfüllen?“. Die Grundsätze werden dann an der an diesem Wochenende erlernten Übung „Verbindung zu Himmel und Erde herstellen“ erklärt.
Entstehungsgeschichte und Ziele des „Qigong-Fortbildungsinstituts“ in Peking
Erste Krise: Ausbildungsnotstand
Zweite Krise: Mystifizierung
Dritte Krise: mangelndes theoretisches Grundwissen
Ergebnis der 3 Krisen
Was ist Qigong
Ersetzen der Vielzahl der Gedanken durch einen
Einsatz des bewußten Geistes zur Verminderung desselben zugunsten des natürlichen Geistes
Fortschritt heißt nicht: viele verschiedene Übungen lernen!
Übung „Verbindung zu Himmel und Erde bekommen“
1. Teil - Meridianaktivierung
2. Teil - Senken des Qi in 3 Bahnen
3. Teil - Füllen der 3 Dantian
4. Teil - Stehen wie ein Dreifuß
5. Teil - zum Natürlichen zurückkehren und das ursprüngliche Qi erhalten
Qigong-Grundsätze in der gelernten Übung
Die Gründung des Instituts hat ihre Ursache in der jüngeren Geschichte des Qigong in China. Es gab Krisen, die zeigten, daß eine gründliche Ausbildung der Qigong-Unterrichtenden notwendig ist.
Qigong hat eine vieltausendjährige Geschichte, die aber nicht linear verlaufen ist. Es ging auf und ab und vor allem in der Zeit bis zur Mitte dieses Jahrhunderts lag das Qigong schon in den letzten Zügen. Es existierte zwar noch im Volk weiter, aber das Wissen, das Wissenschaftliche am Qigong war schon fast verloren.
Von 1949 (Gründungsjahr der Volksrepublik China) bis 1966 war die beginnende moderne Entwicklung im Qigong hauptsächlich auf die Ebene der Sanatorien beschränkt. Dort wurden erfolgreich verschiedene chronische Krankheiten mit Qigong behandelt u.a. Magenkrankheiten, Nervenleiden, Lungenkrankheiten bzw. Asthma.
Von 1966 bis 1976 (Zeit der Kulturrevolution) gab es große Wirren in China und es ging dem Qigong wieder nicht gut.
Der 11. Juli 1979 war dann ein äußerst wichtiger Tag für das Qigong in China. Herr Prof. Lin hatte den Vorsitz für eine Demonstration von drei wichtigen Experimenten, die schon seit 1977 vorbereitet wurden und die Quintessenz der wissenschaftlichen Arbeit bezüglich Qigong in ganz China zu dieser Zeit darstellten. Vor verschiedenen Ministern vor allem des Gesundheitsministeriums und anderen Mitgliedern der Zentralregierung konnte man nachweisen, daß Qi existent ist, daß es stoffliche Eigenschaften, eine materielle Basis hat. Das führte zu großer Aufregung und Begeisterung und hat Qigong in China wieder zu einem gewissen Status gebracht.
Aufgrund dieser Konferenz wurde eine Vereinigung zur wissenschaftlichen Erforschung des Qigong gegründet und im Jahr 1981 wurde diese Vereinigung ganz-chinesisch.
Die Zunahme der Akzeptanz des Qigong zeigte sich auch an der Anzahl der Leute, die in einer sehr kurzen Zeit - von den 70iger bis zu den 80iger Jahren - begonnen haben, sich mit Qigong zu beschäftigen. Das waren zu Beginn nur 23.000 Leute. Innerhalb von ein, zwei Jahren stieg die Zahl schon auf über 200.000, die in Organisationen erfaßt waren. Zu Beginn der 80iger Jahre, als die Qigong-Forschung auf all-chinesischer Ebene durchgeführt wurde, war diese Zahl auf über 10 Millionen Menschen gestiegen. In dieser Zeit zeigten sich allerdings schon wieder einige Probleme. Herr Prof. Lin war dabei immer an vorderster Front und an höchster Stelle tätig, um die ganzen Aktivitäten der Erforschung zu koordinieren.
Damals waren ein bißchen über 20 Qigong-Methoden in Umlauf (heute sind über zwoelf00 populär). Die erste Problematik trat im Zusammenhang mit dem Kranich-Qigong auf. Das ist eine sehr gute Qigong-Übung, die in China eine sehr schnelle Verbreitung und Popularisierung erfahren hat. Das Wissens- bzw. Ausbildungsniveau derjenigen, die die Übung weitergegeben haben, konnte aber nicht mit dieser explosiven Entwicklung schritthalten. Dadurch kam es zu Fehlentwicklungen. Das Gesundheitsministerium hat daraufhin die Abteilung für chinesische Medizin beauftragt, Nachforschungen anzustellen. Prof. Lin hat damals gezeigt, daß es nicht daran lag, daß die Methode selbst Fehler aufweist, sondern daß das Ausbildungniveau der Ausbilder gehoben werden muß, daß qualifizierte Ausbildungskräfte notwendig sind, um die Probleme zu lösen, die im Zusammenhang mit der Methode aufgetreten sind.
Um Fachleute heranzubilden, die fähig sind, Qigong auf die richtige und auf sichere Art zu verbreiten, wurde in den 80iger Jahren in Peking das „Qigong-Fortbildungsinstitut“ gegründet, das von Herrn Prof. Lin geleitet wird. Auch Herr Prof. Cong ist dort tätig, außerdem noch 180 weitere Spezialisten, die diejenigen ausbilden, die im Qigong-Bereich in China arbeiten. Dabei hat sich erwiesen, daß die Verbindung von strenger, gründlicher theoretischer und genauer praktischer Ausbildung sehr förderlich für die Entwicklung des Qigong in China ist. Im Institut sind inzwischen über 10.000 Leute ausgebildet worden, von 500 kann man sagen, daß sie hervorragende Fachleute geworden sind - sowohl was das theoretische und praktische Wissen, das einen guten Qigong-Unterricht gewährleistet, als auch was ihre Fähigkeiten im Qigong betrifft.
Dann gab es eine zweite Krise in den Jahren ‘88 und ‘89. Sie entstand hauptsächlich aus der Mystifizierung der im Zusammenhang mit dem Qigong auftretenden Effekte und daraus, daß Qigong in sehr geheimnisvoller Weise dargestellt wurde. Darüber haben die Wissenschaftler in China ihren Unmut geäußert und damit sehr negativ auf das Qigong eingewirkt. Deshalb war es nötig, wieder eine Konferenz einzuberufen und über Qigong zu diskutieren. Außerdem wurde ein Skriptum entwickelt (liegt in englischer Übersetzung vor), um das Qigong klar zu präsentieren, den Wissenschaftlern zu zeigen, daß Qigong nichts Geheimnisvolles oder Mystisches ist. Es ist sicherlich für alle interessant, es zu lesen, weil es bis heute Gültigkeit besitzt (auch für unsere jetzige Entwicklung). Eine deutsche Übersetzung liegt allerdings noch nicht vor. [Wenn inzwischen jemand eine erstellt hat, wäre es nett, wenn er sie zur Verfügung stellte.- Anm. d. Red.]
Damals in China konnten die Widersprüche, die innerhalb der betroffenen Stellen auftraten, geglättet werden - vor allem mit Artikeln, die in der Sportzeitschrift in China erschienen sind, die eine sehr hohe Auflage hat, so daß genügend Leute erreicht werden konnten und zumindest das theoretische Basiswissen ebenfalls popularisiert werden konnte. Aber auch wir hier im Westen sollten uns dieses Grundwissen bezüglich des Qigong aneignen, damit wir ein bißchen Niveau bekommen.
Im Moment läuft die dritte Diskussion bezüglich des Qigong in China. Sie läuft aber schon auf einer ganz anderen Ebene ab, was sehr viel damit zu tun hat, daß das Qigong noch populärer ist als zu Beginn der 80iger Jahre. Im Moment sind es über 70 Millionen Menschen, die in China mit dem Qigong beschäftigt sind.
Dabei hat sich gezeigt - und das ist auch für uns wichtig - daß einige Menschen mit dem Qigong zunächst sehr gute Entwicklungen machen, und dann geht es plötzlich wieder den Bach hinunter. Dann geht es wieder aufwärts und wieder abwärts. Das kommt immer daher, daß zuwenig Wissen bezüglich der konkreten theoretischen und praktischen Inhalte des Qigong besteht. Es wird immer noch zu wenig verstanden, was Qigong wirklich ist.
Einer der Gründe, daß das Qigong angreifbar geworden ist, war der, daß absichtlich oder unabsichtlich zu positiv über Qigong berichtet wurde. Es hat vielen Leuten wirklich sehr viel Gutes gebracht, aber aus Unkenntnis darüber, was wirklich beim Qigong passiert, warum es jemandem Gutes tun kann, wurde dann der Bogen überspannt und letztendlich kam es dann zu Gegenreaktionen. Die Gegenreaktion erfolgte auch deshalb, weil doch einige Leute mit dem Qigong einfach Schindluder getrieben haben. Da wurden Behauptungen aufgestellt, die einfach falsch waren und es wurde auch wirklich damit betrogen. Das Wesentliche war aber eher, daß eine Gegenreaktion deshalb gekommen ist, weil Qigong unvereinbar ist mit der modernen Wissenschaft. Die traditionellen Inhalte des Qigong passen einfach nicht richtig zusammen mit dem Verständnis der modernen Wissenschaften und deshalb gab es natürlich auch heftige Kritik.
Diese Kritik stammt aus einer Unkenntnis der Hintergründe des Qigong. Es ist zu wenig Bewußtsein vorhanden, woher das Qigong kommt, wieso es entstanden ist, wie diese traditionellen, chinesischen Inhalte vor ihrem ganzen Zeit- und Entwicklungshintergrund zu verstehen sind. Außerdem ist es ein philosophischer Fehler, die Erkenntnismethoden der modernen Wissenschaft auf ein Wissen anzuwenden, das gar nicht den Anspruch erhebt, mit modernen wissenschaftlichen Maßstäben gemessen zu werden. Man muß den Hintergrund verstehen, um Qigong gerecht zu beurteilen.
Deshalb wurde vermehrt geforscht. Auf dieser sehr konkreten und wissenschaftlichen Ebene gibt es auch schon ganz konkrete Resultate, z.B. was die Behandlung von bestimmten Krankheiten angeht. Bezüglich der Zuckerkrankheit kann gezeigt werden, daß Qigong bei der Behandlung bzw. Rehabilitierung einen ganz entscheidenden Einfluß ausüben kann.
Das Fortbildungsinstitut in Peking forscht auch sehr viel bezüglich der alten, traditionellen Inhalte des Qigong. Es gibt ein Buch aus der Han-Zeit: „Cantongqi“ (Übersetzung etwa: „Die dreifältige Einheit“) Dieses Werk ist über 2000 Jahre hinweg immer wieder erforscht und nie richtig verstanden worden, weil es sehr stark alchemische Ausdrücke gebraucht und nie klar ist, wo der konkrete Gehalt gemeint und wo er hinter Symbolen verborgen ist. Dieses Buch ist vom Qigong-Fortbildungsinstitut untersucht worden und in seiner Essenz das erste Mal nach diesen 2000 Jahren verstanden worden. Es zeigte sich dabei, daß der Wert dieses Werkes alles das übertrifft, was bisher vermutet worden ist.
Diese Krisen zeigen alle, daß es letztenendes immer um das theoretische Wissen und das Ausbildungsniveau der Lehrer geht.
Bisher hat jede dieser Diskussionen bezüglich des Qigong in China dazu geführt, daß wichtige, wesentliche Werke zum Qigong entstanden sind. Das Werk, das nach der ersten Diskussion entstanden ist, heißt: „Die Wissenschaft des chinesischen Qigong“ Nach der zweiten hat es ein ähnliches Werk gegeben und man ist sich sicher, daß auch die jetzige Diskussion wieder dazu führen wird, daß auf einem neuen, höheren Niveau über Qigong geschrieben wird.
Die erste belegte Qigong-Übung der chinesischen Überlieferung ist eine Übungsanleitung aus dem Jahr 380 vor Chr.. Sie ist in einem Jadeknauf (einem 3,3 cm großen Jadeanhänger, den man sich an den Gürtel hängen kann) eingraviert. Sie beschreibt mit insgesamt 45 Zeichen eine Methode, das Qi im kleinen himmlischen Kreislauf zu leiten. Diese Übung heißt: „Führen des Qi“.
Man sollte diese Übung heute jedoch nicht lernen und üben. Sie betont die Rolle der Vorstellungskraft und Aufmerksamkeit zu sehr. Das ist für moderne Menschen nicht geeignet, die ohnehin schon sehr stark mit ihrer mentalen Aktivität beschäftigt sind. Wenn jemand unserer Zeit sich mit einer Übung beschäftigt, die die Rolle der Aufmerksamkeit zu sehr betont, dann kommt es leicht zu Fehlentwicklungen.
Die erste Qigong-Kombination, die in China herausgegeben wurde, ist aus dem Jahr 610 n.Chr. überliefert und wurde vom damaligen Leibarzt des Kaisers der Sui-Dynastie herausgegeben. Das Werk dieses Leibarztes, ein Herr Chao Yuanfang nennt sich „Ursachen und Symptomatik der verschiedensten Erkrankungen“. Es beschreibt die Behandlung von über 1000 Krankheiten mit Qigong. 113 Qigong-Methoden werden dafür auf die Anwendung bei den verschiedensten körperlichen Probleme umgesetzt. Die erste und so letztlich auch die wichtigste unter diesen 113 Übungen ist Bestandteil der weiter unten beschriebenen Übungsreihe.
Wichtig für unser Üben ist, daß wir den theoretischen und praktischen Gehalt, das Wesentliche in einer Übung erkennen können, denn es gibt, wie oben bereits angedeutet, einen großen Unterschied zwischen den modernen Menschen und den Menschen, die vor 1500 Jahren gelebt haben. Heute haben wir einen viel schnelleren Lebensrhythmus und eine viel größere geistige Aktivität. Diese übermäßige geistige Aktivität und vor allem der daraus resultierende Streß führt dazu, daß bei den betroffenen Menschen eine enorme Menge an Energie im oberen und sehr wenig Energie im unteren Bereich des Körpers ist. Von dieser Symptomatik sagt man: „durch Energieerschöpfung steigt zuviel Energie nach oben.“ Unten ist zu wenig, oben ist zuviel, und das wird als eine der Hauptursachen für das Altern des Menschen überhaupt angesehen. Die meisten Krankheiten, die man bekommt, sind oben angesiedelt, ob es Herzprobleme sind oder Probleme mit Zuckerkrankheit und ähnlichem, das sind eigentlich keine konkreten organischen Erkrankungen sondern Erkrankungen, die aus einer bestimmten Art der Lebensführung resultieren.
Zur Behandlung nützt es jedoch nichts, oben einfach etwas wegzunehmen; unten ist ja gleichzeitig zu wenig. Darum muß man - wie es die chinesische Medizin nennt - „das Feuer zu seinem Ursprung zurückführen.“ Man führt das Feuer von oben nach unten und erreicht dadurch, daß unten die Energie hineingefüllt wird. So wird man von selbst gesund. Man versucht die Verbindungslinien der Energie zum Himmel und zur Erde zu öffnen, so daß sie sich sowohl nach unten als auch nach oben gleichmäßig verteilen und damit in einen ausgeglichenen Zustand zurückkehren kann.
[Diese Frage muß man beantworten, bevor deutlich wird, was die Qualität einer Übung ausmacht, was eine Übung zu einer guten Qigong-Übung macht. Es ist an dieser Stelle sinnvoll, sich die im ersten Teil (1. Heft) dargestellten Grundsätze noch einmal zu vergegenwärtigen.]
Qigong ist letztendlich jede Methode, die die Störungen vermindert, die vom erworbenen Bewußtsein, vom Normalbewußtsein, vom bewußten Geist des Menschen auf den „Computer“ des ursprünglichen Bewußtseins ausgeübt werden. Solange sie diesen negativen Einfluß des erworbenen Bewußtseins auf das ursprüngliche Bewußtsein vermindern kann, ist es eine gute Qigong-Methode.
Alle im Moment im Umlauf befindlichen Qigong-Methoden verwenden dieselbe Technik. Man ersetzt die Vielzahl der Gedanken, die einem dauernd durch den Kopf laufen, durch einen Gedanken.
In diesem Sinn ist Qigong überhaupt nichts Geheimnisvolles. Es ist etwas vollkommen Einfaches und Banales. Das kann man sehr einfach demonstrieren. Wenn ich nach vorne gehe, ist das im allgemeinen kein Qigong, einfach aus dem Grund weil ich, wenn ich nach vorne gehe, gleichzeitig immer noch geistig mit etwas vollkommen anderem beschäftigt sein kann. Ich kann kreuz und quer denken und habe dementsprechend nicht den erworbenen Geist in seiner Funktion eingedämmt. Wenn ich aber nach hinten gehe, ist das sofort Qigong. Weil es, wenn ich nach hinten gehe, nicht mehr so einfach ist, meine Gedanken kreisen zu lassen. Wenn ich nach hinten gehe, muß ich aufpassen, daß ich nicht über etwas stolpere und falle, muß ich überhaupt aufpassen, daß ich mein Gleichgewicht behalte, daß ich mich nicht verletze und ähnliches. Allein durch diese Aufmerksamkeit, die beim nach hinten gehen entsteht, wird eine ganz banale Bewegung wie ‘gehen’ zu einer Qigong-Übung. Durch diese Aufmerksamkeit beim Nach-Hinten-Gehen werden die vielen Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, durch einen ersetzt oder durch wenige Gedanken, die sich jetzt mit meiner Körperkoordination, mit dem Schritt meiner Füße beschäftigen müssen.
Oder in einem anderen Beispiel: Wenn ich mich normal hinstelle, ist das kein Qigong, weil ich so stehen und natürlich lauter Blödsinn denken kann. In dem Moment, wo ich mich aber auf die Arme stelle, einen Handstand mache, ist es sofort Qigong, weil es sehr schwer ist, im Handstand an etwas anderes zu denken, ohne umzufallen. In dem Sinn ist normales Stehen kein Qigong, im Handstand zu stehen, ist Qigong, weil wiederum die Gedanken vermindert werden.
Qigong ist nichts anderes, als das Verwenden des bewußten Geistes, um die Wirkung des bewußten Geistes auf den ursprünglichen Geist zu vermindern. Natürlich muß ich mein Normalbewußtsein verwenden. Ich muß mir ja überlegen, ob ich die Hand hebe oder senke, einen Schritte setze oder ähnliches. Das macht alles das Normalbewußtsein, der bewußte Geist. Aber ich verwende dieses Normalbewußtsein, um die negative Wirkung dieses Normalbewußtseins auf mein ursprüngliches Bewußtsein einzudämmen. Das ist der Beginn jedes Qigong. Weiterführend könnte man dann natürlich schauen, wie man den bewußten Geist wirklich ganz stark machen und zur vollen Fülle bringen kann. Das wäre dann ein weiterer Schritt. Aber es gibt eigentlich im Moment niemanden, der das unterrichtet.
Für die konkreten Verfahrensweise beim Qigong heißt das: Es geht nicht darum, daß man z.B. in einer Übung geht. Das Gehen ist nur das Mittel, mit dem ich erreichen will, weniger Gedanken zu haben, die vielen Gedanken durch einen Gedanken zu ersetzen. Man könnte auch ganz was anderes machen. Daher ist es vollkommen egal, welche Qigong-Übung man macht. Sie sind alle gut. Prof. Lin wird viel von Schülern gefragt, die sagen: „Sie haben so große Erfahrung, welche Übung ist die beste für mich, welche Übung soll ich üben?“ Und seine Antwort ist immer: „Mach die Übung, die Dir gefällt oder die Dich freut, es ist vollkommen egal, welche Übung Du übst.“ Das legen viele als Diplomatie aus, niemanden beleidigen zu wollen und nicht mit der einen oder anderen Schule in Konflikt zu kommen. Aber es ist nicht Diplomatie. Sondern es ist wirklich so: Die Methode ist völlig egal, solange sie einem hilft, die Gedanken zu vermindern, die vielen Gedanken durch einen zu ersetzen. Es geht überhaupt nicht um die körperliche Bewegung, sondern darum, daß das ursprüngliche Bewußtsein seine ursprüngliche Aufgabe wieder übernehmen kann oder besser erfüllen kann. Und dazu ist jede Methode geeignet.
Ein anderer Punkt wird im folgenden Beispiel deutlich: Vor kurzem ist Prof. Lin einem Schüler begegnet, den er 15 Jahre lang nicht gesehen hat und beim Plaudern, als er sich erkundigt hat, wie es dem Schüler in letzter Zeit geht, hat der gesagt, er habe in letzter Zeit große Fortschritte gemacht. Er habe jetzt über 20 verschiedene Qigongformen gelernt und er merke, jetzt gehe es ordentlich weiter. Zu dessen Betrübnis hat Prof. Lin ihm aber mitteilen müssen, daß es vollkommener Quatsch ist, soviel Übungen zu lernen, weil man Qigong-Übungen mit einer Hilfe vergleichen kann, um irgendwohin zu kommen. Wenn man z.B. auf einen Berg will, dann ist es natürlich hilfreich, einen Wanderstab zu haben, der einem beim Steigen hilft. Ein Stab ist ganz gut, um auf einen Berg heraufzukommen. Wenn ich über 20 verschiedene Wanderstäbe hab und mit denen auf den Berg gehe, ist es ein bißchen unpraktisch. Einen hab ich vielleicht in der Hand, die anderen muß ich mir auf den Rücken schnallen. Sie werden mich eher behindern in meinem Aufstieg. Wenn ich oben auf dem Gipfel bin, hab ich eine ganz andere Aussicht; ich bin dann in einer anderen Umgebung. Dann brauche ich auch den Stab nicht mehr.
Das heißt nicht, daß man nur eine Qigong-Methode üben darf und andere nicht. Das ist nicht damit gemeint. Es soll nur heißen: wenn ich eine Qigong-Übung mache, dann ist es gut, bei dieser Qigong-Übung zu bleiben, weil ich nur dann im Verlauf der Zeit das erreichen werde, was ich mit einer Qigong-Übung erreichen kann. Wenn ich durch eine Übung wirklich durchgedrungen bin, wenn ich sie vollkommen verstehe, wenn ich erreicht habe, was angelegt ist in der Übung, dann kann ich sehr wohl andere auch machen und dann kann ich wahrscheinlich auch besser vergleichen, wie unterschiedlich sich diese verschiedenen Übungen anfühlen, was der Vorteil der einen oder anderen Bewegung ist. Dann hat es einen Sinn. Wenn ich von vornherein von einer Übung zur anderen hüpfe, ist das nichts anderes, als mir eine Unzahl Wanderstäbe umzuschnallen und mich in meiner Entwicklung zu behindern.
Bleibt noch zu ergänzen, daß eine gute Qigong-Übung
Diese Übungsfolge soll nicht das umfangreiche Repertoire unserer Übungen erweitern. Es soll damit gezeigt werden, was im Qigong an tiefen Inhalten in eine Übung umgesetzt werden kann.
Aus der Menge der traditionellen Qigong-Übungen, deren jede ihre Vorteile aber auch ihre Nachteile besitzt, wurden einige wenige ausgewählt und in eine logische Folge gebracht, um den ganzen theoretischen Hintergrund des Qigong auch praktisch verpacken zu können. Diese Übungsfolge heißt: „Verbindung zu Himmel und Erde bekommen“ oder „Öffnung zu Himmel und Erde“ oder „Die Einheit von Himmel und Erde verwirklichen“. Sie geht zurück bis zu der schon erwähnten Zeit von 600 n. Chr..
Von den fünf Teilen der Folge ist der zweite entscheidend. Die anderen Teile dienen dazu, die Effektivität der zweiten Bewegung zu erhöhen. Wenn man beginnen würde ohne die Meridiane zu öffnen oder zu aktivieren, ohne die körperliche Entspannung, die der erste Teil ermöglicht, dann wäre die zweite Bewegung bei weitem nicht so wirkungsvoll. Die dritte bis fünfte Übung verstärken den Effekt und sorgen für den Erhalt des Erübten.
Aus der Grundhaltung (schulterbreiter Stand)heraus werden die Hände mit an den Körperseiten hängenden Armen nach vorn aufgestellt und mit der Einatmung gespreizt und auswärts in einem möglichst vollständigen Kreis gedreht. Gleichzeitig heben die Fersen ab (Abb. 1,2). Hierbei entsteht Spannung in Händen und Armen, Füßen und Beinen und letztlich im ganzen Körper, die bei der anschließenden Ausatmung wieder völlig gelöst wird. Die Aufmerksamkeit sinkt dabei in den Boden.
Wichtig ist, daß man versteht, was man macht, wenn man so eine Bewegung vollführt. Die Hände zu bewegen, die Finger zu strecken heißt, die entsprechenden Meridiane zu aktivieren. Mit dem Daumen den Lungenmeridian, mit dem Zeigefinder den Dickdarmmeridian, mit dem Mittelfinger den Kreislaufmeridian, mit dem Ringfinger den Dreifachen-Erwärmer-Meridian, mit dem kleinen Finger den Herz- und den Dünndarmmeridian.
Dabei ist wichtig, daß man Spannung in die Finger, Hände und Arme bringt. Diese Spannung geht vor allem durch die Drehung in den ganzen Arm hinein. Dadurch werden 5 wichtige Punkte jedes Meridians (von den Fingern bis zum Ellenbogen) aktiviert. Man erreicht also gleich 30 Meridianpunkte mit einer Bewegung.
Die Beinmeridiane erreicht man, indem man die Fersen abhebt. Dadurch drücken die Zehen ganz automatisch fester gegen den Boden. Es kommt die Spannung also auch in die Füße, in die Zehen hinein. Das Prinzip ist das selbe wie bei den Händen: über die Spannung werden die Meridiane aktiviert. Deshalb hat man durch eine ganz einfache Bewegung eine Aktivierung des gesamten Meridiansystems, was natürlich günstig ist für die folgenden Teile der Übung.
Die anderen Bewegungen werden weich und entspannt durchgeführt.
Aus der Ausgangsstellung (wie Teil 1) die Arme vorn bis über den Kopf heben und zunächst vorn am Körper entlang abwärts streichen bis zu den Füßen. Dabei mit vollständig aufgesetzten Füßen in die Hocke gehen (der Körper bleibt dabei möglichst aufgerichtet). Die Hände auf die Füße legen und bis tief in die Erde hineindenken. Mit den Händen außen zur Ferse wandern und die Rückseite entlang bis zum Gürtelgefäß aufwärts streichen, dabei wieder aufrichten, dann am Gürtelgefäß entlang und über die Seiten in die Ausgangsstellung zurückkehren. Dieser Vorgang wiederholt sich mit dem Abwärtsstreichen über die Rückseite (eng vorn um die Schulter herum), nach Aufenthalt der Hände auf dem Vorderfuß - Gedanken in die Erde gesenkt - vorn wieder heben und mit dem Abwärtsstreichen über die Seiten, das Heben findet dann über die Innenseite der Beine statt.
Es ist sehr wichtig, von den Fußsohlen noch in die Erde hineinzudenken und zwar ein ordentliches Stück, sagen wir mal drei Meter. Wenn man das nicht macht, sondern nur bis zu den Fußsohlen denkt, geht das Qi wahrscheinlich nicht bis dorthin, sondern vielleicht nur bis zum Unterschenkel. Erst wenn man ein Stück in die Erde hineindenkt, kommt das Qi auch wirklich hinunter bis in die Füße. Das ist notwendig, um das Nierenqi zu stärken. Die Möglichkeit, daß dort vermehrte Energie entsteht, kann man nur schaffen, wenn das Qi wirklich bis zu den Fußsohlen kommt.
Mit den Bewegungen von oben nach unten stellen wir die Verbindung zum Himmel und zur Erde her.
In der Zeichnung (Abb. 3) zeigen die drei durchgezogenen Linien, wie man das Qi von oben nach unten führt. Die gestrichelten deuten an, daß wir das Qi auch wieder zum Zentrum zurückführen. Das ist notwendig, um nicht Qi zu verschwenden. Eine Bewegung des Qi zu initiieren heißt, Qi zu verbrauchen. Das ist so wie beim Einkaufen. Es gibt da etwas, das einem gefällt und das kauft man sich und freut sich dann darüber. Wenn es aber zu teuer war, freut man sich nicht mehr darüber. In unserem Fall entspricht die Bewegung entlang der 3 durchgezogenen Linien dem Kauf eines Dinges. Es ist absolut Wert, Qi zu verbrauchen, das Qi über diese 3 Linien zu führen. Doch wenn man es jetzt nur durchgehen lassen würde, wenn es nur hinunter geht und weiter nichts, dann entspräche das dem zu hohen Preis. Um das Ganze günstiger zu gestalten, um den Verbrauch zu minimieren, ist es notwendig, das Qi dann wieder zum Zentrum zurückzuführen. Man verbraucht ein bißchen Energie, holt sie sich aber wieder zum Zentrum zurück, zum Gürtelgefäß, also zu einem der wichtigsten Bereiche des Körpers.
Abb.9
Aus der Ausgangsstellung (wie Teil 1) die Hände etwas nach hinten-seitlich führen, dabei zeigen die Handflächen nach hinten; Finger für Finger nach vorn drehen, heben und einen großen "Qi-Ball" vor der Stirn umarmen, an den Himmel denken und das Qi mit den Mittelfingern in das obere Dantian drücken, dort etwas verweilen (die Aufmerksamkeit geht dabei weit hinter den Kopf) und vorm Körper absenken, zur Ausgangsposition zurückkehren. Entsprechende Bewegung für das mittlere Dantian (dabei an alle Richtungen denken und dann weit hinter den Rücken) und das untere Dantian (dabei an die Erde denken und dann weit hinter den Rücken). In Ausgangsposition zurück.
Es gibt viele Diskussionen bezüglich der drei Dantian, in die wir uns jetzt nicht hineinbewegen. Uns interessiert hier nur, daß die drei Dantian drei Bereiche von entscheidender Wichtigkeit im Üben des Qigong sind, und diesen drei Dantian führen wir Qi zu. In einem Bild können wir sagen, daß wir mit der zweiten Übung drei Straßen gebaut haben, über die das Qi fährt. Das Führen der Energie zu den drei Dantian heißt, an diesen Straßen Tankstellen zu errichten, damit die ungehinderte Bewegung über die Straßen möglich ist, damit man dort jeweils auftanken und weiterfahren kann. So verstärkt man den Effekt dieser zweiten Bewegung.
Die dritte Übung kann nicht einzeln geübt werden (die zweite Übung kann man ohne weiteres allein üben). Sie hat auch nur einen Sinn in der Reihenfolge, die wir innerhalb dieses Übungsablaufes haben. In der umgekehrten Reihenfolge (zuerst das Qi in den drei Dantian aktivieren und dann erst das Qi von oben nach unten führen) wäre die Aktivierung der drei Dantian nicht nur nicht förderlich sondern hinderlich. Wenn man dann versucht, das Qi hinunter zu führen, blockiert es in den Bereichen der Dantians.
Die Vorstellung bewegt sich auf jeder Ebene ganz in die Weite. Dieses Ausrichten der Aufmerksamkeit auf die Weite ist einer der ganz entscheidenden Punkte. Man schafft es am Anfang vielleicht nicht so leicht, daß man z.B. an der Nasenwurzel drückt und die Aufmerksamkeit nach hinten bringt. Mit der Zeit wird das aber immer mehr gelingen, so daß die Aufmerksamkeit ganz weit nach hinten geht, nicht nur bis zum Hinterkopf sondern noch weiter.
Damit aktivieren wir nicht nur die Dantian sondern darüberhinaus drei Bereiche gegenüber den drei Dantian an der Rückseite des Körpers, die man die „drei Sperren“ oder die „drei Schranken“ nennt. Sie werden vom Qi nicht so leicht durchdrungen. Wenn die Aufmerksamkeit jedesmal nach hinten geht, schafft man die Möglichkeit für das Qi, dort besser durchzukommen, was auf die Dauer das Niveau jeder Übung sehr hebt. (s.a. Abb. 4)
Abb. 4
In der Mitte des Körpers haben wir ebenso drei Punkte, die traditionell bezeichnet werden, unten als der „Ofen“ oder das „Feuer“, dann in der Mitte der „Tiegel“ oder der „Kochtopf“ und oben der „Deckel“, der auf dem Topf aufsitzt. Das sagt einem im Erleben als Anfänger einer Übung relativ wenig. Trotzdem ist es von sehr großer Bedeutung, weil es ein Kriterium für eine gute Qigong-Übung ist: hierin liegt eine Möglichkeit der Weiterentwicklung, d.h. daß man nach einer Zeit des Übens, in der man etwas erreicht hat, einen weiteren Schritt machen kann. Dieser weitere Schritt wird durch Feuer, Topf und Deckel vorbereitet. Dadurch, daß das ja auch ein Schnittpunkt dieser drei Längs- und Querlinien ist, werden diese Bereiche aktiviert und sind sozusagen als Vorbereitung für ein späteres Üben auf einem höheren Niveau schon da. Man hat also eine Vorbereitung getroffen.
Gegenüber der Ausgangsstellung werden Knie stärker gebeugt und evtl. die Fersen etwas auseinander genommen. Die Hände mit etwas Abstand vor dem Unterbauch offen halten. Ein 3. gedachte Fuß wächst aus dem Steißbein heraus. In dieser Haltung an Anfang mindestens 2 Minuten, später bis zu 10 Minuten stehen.
Der 4. Teil ist das Einholen der Ernte. Man steht da und läßt das Feuer von oben nach unten kommen, führt es zu seinem Ursprung in den unteren Körperbereich hinunter. Dafür ist wichtig, daß man in einer etwas tieferen Stellung ist. Man muß tief genug sein, damit das Qi auch hinunterkommt. Wenn man zu hoch steht, kann die Qi-Bewegung hinunter nicht so leicht erreicht werden.
Bei dieser Stellung müssen wir zuerst darauf achten, daß die Knie nicht über die Fußspitzen ragen. Die Knie stehen genau senkrecht über den Fußspitzen. Weiter ist zu beachten, daß nicht nur die Knie gebeugt sind, sondern daß man sich setzt. Die Stellung heißt ja: „Stehen wie ein Dreifuß“ oder „wie ein Dreibein“. Wir haben so die zwei physischen Beine und ein durch die Haltung des Setzens wachsendes Vorstellungsbein, wodurch wir dann mit drei Standbeinen stehen. Dann erst stimmt die Haltung.
Durch das Sammeln des Qi unten wirken wir dem vorzeitigen Altern entgegen, bleiben vital und haben genügend Lebenskraft. Dem Hinunterbringen der Vorstellung folgt das Qi. Darum steht man in dieser Haltung mindestens zwei Minuten, damit das Qi wirklich hinunterkommt; je länger, desto besser. Als Obergrenze werden im allgemeinen zehn Minuten angegeben.
[Der 5. Teil wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit vertagt und dann aber doch nicht mehr besprochen. Die hier aufgeführten Bemerkungen entstammen einem Vortrag zum gleichen Thema, den Herr Lin in China gehalten hat.]
Hände übereinandergelegt auf dem Bauch kreisen - auf Dantian beginnen 9 mal größer werdend im Uhrzeigersinn (Dickdarmrichtung) und 9 mal kleiner werdend gegen Uhrzeigersinn. Die Kreise sind immer gleich schnell; dadurch werden die größeren Kreise in der Bewegung schneller (pro Halbkreis bis 6 zählen). Männer/Frauen gewohnte Handhaltung. Hände noch etwas auf dem Dantian ruhen lassen und ruhig stehen.
Dieser Teil ist die Fixierung dessen was man sich mit den ersten vier Teilen erübt hat.
Die Bauchkreise sehen einfach aus, sind aber vielfältig und reichhaltig. Man kann sie auch im Bett liegend üben, mit überkreuzten Beinen, 36 Kreise in jede Richtung. Dabei bewegt sich mit den körperlichen Kreisen auch der Geist. Das bringt die Gedanken, das Großhirn in Ordnung. Letztlich können die Hände liegen bleiben und der Geist macht die Bewegung allein. Die geistige Bewegung ist die Wurzel, die Basis. Die körperliche Bewegung ist nur die Vorbedingung, um an die Basis zu kommen. Die geistige Bewegung führt zur Wirkung. Dieses macht man aus Sicherheitserwägungen nicht von vornherein, weil zu starke Aufmerksamkeit zu Kopfschmerzen führen kann. Durch die körperliche Bewegung wird die Aufmerksamkeit nicht zu groß. Mit der Zeit kommt das innere Fließen und dann fällt die körperliche Bewegung von selbst weg.
Wir haben bereits gesagt, daß alle Qigong-Methoden letztendlich eine Technik verwenden, nämlich durch einen Gedanken die vielen Gedanken ersetzten. Das ist auch das Ziel dieser Übungsfolge; also letztendlich die Gedanken und d.h. auch die Aufmerksamkeit zu üben. Die nächste Frage ist dann: „Ersetzen die verschiedensten Qigong-Methoden wirklich gründlich die vielen Gedanken durch einen? Wird die Aufmerksamkeit auf die richtige Weise geschult?“ Da kann es schon Unterschiede geben und da ist diese Übung sehr gut. Wir haben die drei Linien, die vorn, hinten und an den Seiten hinunter beschrieben werden. Dadurch wird die gedankliche Aktivität, die Aufmerksamkeit ganz weit hinaufbewegt, ganz weit hinunterbewegt und durch diese umfassende Bewegung der Aufmerksamkeit kann man sehr gut die Gedanken schulen.
Das gleiche gilt für die horizontale Bewegung, auch da geht die Aufmerksamkeit in die Weite. Aus diesem Grund ist auch hier die Übung sehr gut geeignet, um die Gedanken, die Aufmerksamkeit umfassend zu schulen.
Wenn wir die Analogie nehmen zum Spazierstock, zur Krücke, die man verwendet, um auf den Berg zu steigen, dann zeigt sich auch hier: diese Übung ist nur ein Stab. Wenn man ein hohes Niveau erreicht hat im Qigong, braucht man diese Übung nicht mehr.
Die Übung ist allerdings auch im Alltag von großem Nutzen. Wenn man sich vorstellt, man ist z.B. in Geschäftsverhandlungen und das Gegenüber will einen durch langwierige Verhandlungen fertig machen, dann kann man diese Übung gut verwenden. Nicht indem man plötzlich anfängt, Bewegungen zu machen, da wird man höchstens für verrückt gehalten, sondern indem man die Aufmerksamkeit ganz weit nach oben bringt und hinunter sinken läßt und wieder hinauf bringt und hinunter sinken läßt, indem man das Qi von oben nach unten führt. Auf diese Weise kann man auch 24 Stunden verhandeln und wird nicht müde dabei werden, kann sich während des Gespräches immer noch regenerieren.
Dazu braucht man allerdings schon ein gewisses Niveau. Zuerst muß man das Körperliche so weit üben, daß man die Übung wirklich integriert hat. Dann wird auch das, was man nur noch mit der Aufmerksamkeit, nicht mehr mit dem physischen Körper macht, seine Wirkung zeigen. Sonst wird es wahrscheinlich nicht so gut funktionieren.
Zum Abschluß sang Herr Lin uns noch ein mongolisches Lied, dessen Text gut zu den Inhalten der Übung paßt:
Am blauen Himmel ziehen weiße Wolken dahin.
Unterhalb der weißen Wolken bewegt sich eine Herde weißer Schafe.
Die Herde weißer Schafe ist das Abbild der weißen Wolken auf der grünen Erde.
Was für ein wunderschönes Bild!