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Die DEUTSCHE QIGONG GESELLSCHAFT e.V.
Psychoneuroimmunologie –
Wie die Gefühle und Gedanken Auswirkungen auf den Körper haben
Vera Kaltwasser, Copyright, 2016
Dass Körper und Psyche eng miteinander in Wechselwirkung stehen, das ist inzwischen schon allgemein bekannt. Wie diese Wechselwirkungen von statten gehen, welche physiologischen Abläufe im Organismus stattfinden und wie wir darauf bewusst Einfluss nehmen können, das ist längst nicht ausreichend erforscht. Die entsprechende Grundlagenforschung, aus der sich dann Anwendungsgebiete erschließen, ist komplex.
Das Forschungsfeld der Psychoneuroimmunologie widmet sich der Frage, welche Wirkungen Gedanken und Gefühle auf den Körper haben. Es geht um die Interaktion zwischen dem Nervensystem, dem Immunsystem und es geht um die Beziehung zwischen Verhalten und Gesundheit.
Ein interessanter Aspekt ist hier auch die Placebo-Forschung z.B. unter Leitung von Ted Kaptchuk an der Harvard Medical School (http://programinplacebostudies.org).
Während die Psychoneuroimmunologie erforscht, wie Gefühle und Gedanken sich im Körper niederschlagen und bis hin zur molekularen Ebene Wirkung zeigen, so kann auch untersucht werden, wie der „der Körper Stimmung macht“. So titelte „Psychologie Heute“ in einem Heft, in dem die Psychotherapeutin Maja Storch das Konzept „Embodiment“ darstellt, das die Frage untersucht: Wie wirkt die Körperhaltung auf die Psyche? Sinken Sie doch mal kurz in sich zusammen, ziehen sie die Mundwinkel nach unten, vielleicht beißen Sie auch noch die Zähne aufeinander und ziehen die Augenbrauen zusammen. Fühlen sie sich jetzt nicht so richtig „miesepetrig“? Die Erlösung naht: Sie richten sich auf, atmen erleichtert durch, ein Lächeln entsteht auf Ihrem Gesicht, der Bereich zwischen den Augen glättet sich. Und? Fühlen Sie sich jetzt besser?
Storch führt in ihrem Buch „Embodiment“ einige wissenschaftliche Studien an, die den Zusammenhang zwischen Körperhaltung und Emotion experimentell untersucht haben. Ein Beispiel sei hier wiedergegeben – die Untersuchung von Riskind und Gotay. (M. Storch - Hrsg., 2006)
Mit einer trickreichen „Cover-Story“, die wie bei vielen psychologischen Tests das wahre Ziel des Tests verschleiert, um die Unvoreingenommenheit der Probanden zu gewährleisten, wurde den Test-Teilnehmern erzählt, sie müssten, damit die Muskelaktivität gemessen werden könnten, in einer bestimmten Haltung verharren. Gruppe 1 musste gekrümmt und zusammengekauert sitzen, Gruppe 2 aufrecht. Gleichzeitig sollte eine anspruchsvolle Puzzle-Aufgabe gelöst werden. Sie ahnen das Ergebnis sicher: Gruppe 1 schnitt bei der Puzzle-Aufgabe deutlich schlechter ab, woraus geschlossen wurde, dass die Haltung einen entscheidenden Einfluss auf die Stimmung und damit auch auf die Leistungsfähigkeit hat.
Diese Erkenntnis ist uns vertraut, ohne dass wir dafür wissenschaftliche Studien brauchen. Wie wir Gesichtsausdrücke entschlüsseln können, so lernen wir im Verlauf unserer Sozialisation auch intuitiv, welche Botschaften Körperhaltungen übermitteln, aber dieses „Wissen“ bleibt meist unbewusst. Es geht hier nicht darum, Körpersprache als Code zu verstehen, der dann auch zur Manipulation benutzt werden kann: „Verschränken Sie bei einem Gespräch niemals die Arme. Das signalisiert Abwehr!“ Solche Hinweise bleiben an der Oberfläche und verpassen die Chance, die wirkliche Bedeutung der Körper-Sprache zu entschlüsseln. In seinem Buch „Das Gedächtnis der Körpers“ weist Joachim Bauer nach, dass Beziehungserfahrungen und Lebensstile einen „Fingerabdruck“ in den biologischen Abläufen unseres Körpers hinterlassen. Ebenso schreiben sich diese Erfahrungen und Erlebnisse in unsere Körperhaltung ein, in unseren Muskeltonus, in unsere unwillkürlichen Reaktionen auf bestimmte Situationen und deren subjektive Bewertungen. Wie viel „biographisches Material“ verbirgt sich in manchem gekrümmten Rücken („Spiel dich nicht immer so in den Vordergrund, wart ab, bis du gefragt wirst“ oder auch im aufgeplusterten Imponiergehabe „Lass Dir nichts gefallen“, „Das steht Dir zu!“). Viele körperorientierte Psychotherapieverfahren setzen an diesen „eingefrorenen“ Haltungsmustern an und suchen darüber den Weg zu den Gefühlen und psychischen Haltungen. Die achtsame Beobachtung der Körperhaltung und die feine Selbstwahrnehmung von Über- oder Unterspannung sind aber auch wirksame Methoden des Selbstmanagements jenseits eines psychotherapeutischen Settings. Der „vernachlässigte Körper“ kann uns wertvolle Hinweise geben, wenn wir denn auf ihn hören und seine Signale überhaupt wahrnehmen. Wie wertvoll kann es für jungen Menschen sein, angeleitet zu werden, ihre eigene Körpersprache kennen zu lernen.
Deshalb ist zum Beispiel die Grundübung des entspannten Stehens aus dem Qi Gong so hilfreich, weil hier jeder Einzelne spüren lernen kann, wie sein Stand ist, um dann vielleicht mit der Zeit kleine Korrekturen anbringen kann und sich vor allen Dingen auch im Alltag bestimmter unnötiger Spannungen bewusst werden kann. Die Körpertherapeutin Benita Cantien bezieht sich auch auf die Untersuchung von Riskind, bei der die Auswirkung der Haltung auf die Stimmung untersucht wurde: „Wenn schon acht Minuten, den Unterschied zwischen gut gelaunt und frustriert ausmachen, wie viel Unheil können 24 Jahre in einer unangemessenen Haltung anrichten! Jedes Verharren in einer Haltung friert gewissermaßen die dazugehörenden Emotionen in dieser Haltung ein und beraubt den Körper der Fähigkeit, andere Gefühle spontan auszudrücken.“ (Benita Cantieni, in Storch 2006, S. 103). Welch reiches Erfahrungsfeld kann ein Experimentieren mit Körperhaltungen bieten! Welcher Schatz liegt hier im Qigong verborgen! Was wir als Praktizierende täglich an uns und an unseren Seminar-teilnehmern/innen beobachten können, ist das Erfahrungswissen, das mit der wissenschaftlichen Erforschung des Body-Mind-Link verbunden werden kann. Erfahrung und Wissenschaft können unterschiedliche Facetten des Verständnisses beitragen.
Mehr dazu in einem der nächsten Newsletter. Hier wird es dann über die jüngsten Forschungen von Prof. Dr. Michalak zu Embodiment und Qigong gehen.
Literatur: Storch, M./Cantieni, B./Hüther, G./Tschacher, W. (2006): Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Huber: Bern.
Vera Kaltwasser, Juni 2016