10.09.1999

Ausbildungsrichtlinien für Qigong-Lehrende in der Deutschen Qigong Gesellschaft

Diese Ausbildungsrichtlinien wurden von Walter Gutheinz auf der Basis diverser Vorarbeiten zusammengestellt. Sie wurden auf der Vorstandssitzung am 23.4.99 in Göttingen diskutiert und verabschiedet. Auf der Jahreshauptversammlung am 23.10.1999 in München sollen sie abschließend durch die Mitglieder beraten und beschlossen werden.

I. Präambel

Qigong ist ein Lebensweg und im Rahmen einer institutionalisierten Ausbildung nur bedingt vermittelbar. Neben den früher im Fernen Osten üblichen Initiationsritualen im Rahmen eines Meister-Schüler-Verhältnisses hat sich heute im Westen eine Ausbildungskultur entwickelt, die die Befähigung zur Weitergabe von Qigong entweder gar nicht oder durch Ausbildungslehrgänge mit entsprechenden Abschlußdiplomen regelt. Je nach Anbieter und Standort sind die zeitlichen, finanziellen und inhaltlichen Anforderungen dabei ganz unterschiedlich, selbst im Rahmen der DQGG, die bisher an 2 Orten - Berlin und Ulm - 3jährige Lehrerausbildungen durchgeführt hat. Die vorliegenden Ausbildungsrichtlinien dienen der Vereinheitlichung - nicht Uniformierung - der Angebote und der Qualitätssicherung des Ausbildungsniveaus.

II. Grundsätzliches

Die Organisation der Ausbildung erfolgt durch private Veranstalter, die Mitglieder der DQGG sind und langjährige Erfahrung im Unterrichten von Qigong haben. Die Vergabe bzw. der Entzug der Ausbildungsrechte erfolgt durch den Erweiterten Vorstand (Vorstand und Ausbildungsbeirat); letzteres nur bei grober Nichteinhaltung der hier vorliegenden Ausbildungsrichtlinien.

Die Ausbildung ist für die DQGG grundsätzlich kostenneutral. Dienstleistungen der DQGG wie z.B. Werbung, Benutzung des Logos, Supervision von Kursen oder Abschlußkolloquien, Zertifikatsausstellungen etc. sind aber vom jeweiligen Veranstalter zu finanzieren.

Die von der DQGG unterstützten Ausbildungen sollten einen zeitlichen Umfang von 300 - 350 Zeitstunden haben und nicht unter 3 Jahren abgeschlossen sein. Es sollten praktische, theoretische, aber auch pädagogische und didaktische Inhalte vermittelt werden, die weiter unten näher ausgeführt sind. Eine Organisationsform - Klassenverband oder Baukastensystem - wird nicht vorgeschrieben.

Im Gegensatz zu anderen Ausbildungsträgern in Deutschland ist die DQGG nicht einem speziellen Meister oder Übungssystem verpflichtet. Die Auswahl des Lehrkörpers - ein gesunder Proporz zwischen männlichen und weiblichen Dozenten wäre empfehlenswert - sollte deshalb möglichst breit erfolgen, um die verschiedenen Ausbildungsaspekte (s.u.) qualitativ gut abzudecken. Auch unsere chinesischen Ziehväter/-mütter sollten dabei berücksichtigt werden. Die Einzelheiten regeln die verschiedenen Organisatoren, wobei der Ausbildungsbeirat eine koordinierende bzw. beratende Funktion wahrnehmen kann. Die Ausbildungskosten sind von den verschiedenen Organisatoren selbst zu gestalten. Von der DQGG wird ein Rahmen von 18,00 DM - 27,00 DM pro Zeitstunde empfohlen.

Die Anerkennung als lehrendes Mitglied der DQGG wird nach Beendigung der Ausbildung durch den/die Veranstalter beantragt und durch den Erweiterten Vorstand ausgesprochen. Den neuen Lehrmitgliedern wird ein Zertifikat ausgehändigt; gleichzeitig werden sie in die ständig aktualisierte Lehrerliste aufgenommen, die in Zukunft regelmäßig im tiandiren journal veröffentlicht werden soll.

Lehrende Mitglieder der DQGG haben die Pflicht zur Weiterbildung, bzw. zur Teilnahme an Austauschworkshops. Die DQGG erstellt ein regelmäßiges Weiterbildungsangebot und überwacht seine Einhaltung. Das Nähere wird durch eine Weiterbildungsordnung geregelt.

III. Eingangsvoraussetzungen und Kriterien für die Ausbildung

Zugang zur Ausbildung haben in der Regel nur Personen, die eine mindestens 2jährige Übeerfahrung mit Qigong oder verwandten Methoden nachweisen können. Sie sollten außerdem Mitglied der DQGG sein, bzw. werden!

Eine von der DQGG unterstützte Ausbildung sollte folgende Kriterien - nach Bereichen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung geordnet - berücksichtigen:

1   Bereich Qigong-Praxis und -Theorie

  1. Die Ausbildung sollte von einer regelmäßigen, intensiven Übeerfahrung begleitet sein, um den Einfluß von Qigong auf das eigene Befinden zu erfahren.
  2. Es sollten mindestens 2-3 größere bewegte Übungsreihen erlernt und darin ein sicheres Können erworben werden. Beispiele: Chan Mi Qigong, Fanhuangong, 15 Ausdrucksformen des Taiji Qigong, 8 Brokate, Kranich Qigong, Spiel der 5 Tiere, Qigong Gehschritte, Meridian Qigong, etc..
  3. Daneben sollten weitere kürzere und in sich geschlossene Übungen aus dem bewegten Qigong erlernt werden, die besonders für den Anfänger-Unterricht von Bedeutung sind; z.B.: Dantianübungen, Taiyiyuanmingmong, Drachenübungen, 5-Elemente-Übungen, Verbindung zu Himmel und Erde, Morgenübung: "Wecke das Qi", Stehen wie ein Baum, etc..
  4. Kenntnis der 3 Regulationen als Basis des Qigong: Geist (Aufmerksamkeit), Körper (Haltung / Bewegung) und Atmung.
  5. Kenntnis elementarer Übungsprinzipien und ihre Anwendung in den verschiedenen Übungsformen: Heben - Senken; Öffnen - Schließen; Sammlung - Gelöstheit; Imagination - Aufmerksamkeit; Einsatz von Jing; entspannte Körperhaltung und korrekte Bewegungsführung; natürliche Atmung - gezielte Atemführung / Einsatz bestimmter Atemtechniken; innere Ruhe - Stille; Einleitung - Durchführung - Abschluß einer Übung; etc..
  6. Basiserfahrungen mit dem System der spontanen Qi-Bewegungen (Zifa-Gong) sind empfehlenswert.
  7. Erfahrungen mit dem Stillen Qigong und der Qigong-Meditation: Inneres Lächeln, Visualisierungstechniken, Lichtübungen, Kleiner und Großer Himmlischer Kreislauf, Heilende Laute, etc.
  8. Grundlegende Kenntnis von Techniken der Qigong-Massage und Selbstmassage (Anmo Gong)
  9. Beschäftigung mit den philosophischen und theoretischen Grundlagen des Qigong. Wesentliche Grundbegriffe des Qigong sollten erläutert bzw. fachlich korrekt gebraucht wer-den können. Eine Lektüre der einschlägigen Qigong-Literatur wird empfohlen.
  10. Die Lehrenden sollten über Wirkungsweise und Zielsetzung der jeweils vermittelten Übung Bescheid wissen und auf mögliche Nebenwirkungen und Fehler eingehen können. Sie sollten die Möglichkeiten und Grenzen von Qigong als gesundheitsfördernde Methode realistisch einschätzen können.

2   Bereich Pädagogik / Didaktik / Supervision

  1. Auseinandersetzung mit der eigenen Motivation, Qigong zu unterrichten (Auftrag, Entertainment, Vermarktung)
  2. Beschäftigung mit dem Erwartungshorizont, den Rollen und Funktionen von Teilnehmer/innen in Qigong-Gruppen.
  3. Fähigkeit zur Schaffung einer positiven Lernatmosphäre; anregender und lebendiger Unterricht.
  4. Kenntnis gruppendynamischer Gestaltungsprozesse und angemessener Umgang mit starken emotionalen Bewegungen z.B.: Widerstand, Kritik, Frustration, Resignation, etc..
  5. Fähigkeit, unterschiedliche Lernkanäle zu bedienen (optisch: exakte Vorführung; akustisch: genaue Erklärung; taktil: Erspüren und Erfühlen von Bewegungsabläufen).
  6. Didaktische Kompetenz, z.B. Themenschwerpunkte setzen zu können, stoffliche Reduktion, Methodenauswahl, Medieneinsatz, Anpassung der Übungen an spezifische Bedürfnisse der Teilnehmer/innen etc..
  7. Fähigkeit, innere und äußere Bewegungen mit stimmigen Bildern und Vorstellungen zu unterlegen.
  8. Die Polaritätsprinzipien von Yin und Yang als Gestaltungsmittel im Unterricht einsetzen können, z.B.: Theorie - Praxis; Ruhe - Bewegung; Lernen - Üben; Anleitung - erläuterungsfreie Übungsgestaltung; Spannung - Entspannung; etc..
  9. Fähigkeit zur korrigierenden Unterstützung und Hilfe.
  10. Beherrschung verschiedener Organisationsformen des Qigong-Unterrichts: Frontal-, Gruppen-, Einzelunterricht; Binnendifferenzierung, etc..
  11. Fähigkeit zum Kulturtransfer: Übertragung von Sprach- und Denkmustern aus China in den Westen.

Mit zunehmender Dauer der Ausbildung sollte der Umfang der eigenverantwortlichen Unterrichtstätigkeit größer werden. Regelmäßige Lehrproben bzw. Unterrichtsversuche und deren Supervision sind wichtige Bausteine der Ausbildung!

3   Bereich Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Ziel ist eine Aneignung der theoretischen Grundlagen der TCM soweit sie für Qigong Kursleiter/innen relevant sind. z.B.:

  1. Yin/Yang-Lehre
  2. Lehre von den 5 Wandlungsphasen
  3. Die Vitalsubstanzen: Essenz Jing, Qi, Shen, Blut und Körper-flüssigkeiten (Jin/Ye)
  4. Meridianlehre
  5. Die Zang/Fu-Organe als energetische Funktionskreise
  6. Grundzüge der chin. Diagnostikverfahren: Die 8 Leitprinzipien

Es gilt ein Verständnis zu schaffen für die ganzheitliche Betrachtungsweise des Menschen durch die TCM, für die An-sichten der TCM über Krankheitsentstehung, -vorbeugung und -therapie, sowie den Stellenwert des Qigong in diesem Zusammenhang.

4   Bereich Bewegungslehre, Anatomie, Physiologie

Ein Grundverständnis anatomischer Zusammenhänge wird erwartet, um die Bewegungsweise im Qigong und die dazugehörigen Prinzipien (z.B. Jing - elastische Kraft / wesentliche Spannung oder Fang Song - Loslassen etc.) besser verstehen zu können. Das Studium westlicher Bewegungslehre kann dabei ebenfalls behilflich sein, ebenso sportmedizinische Grundkenntnisse (z.B. Belastungspensen in verschiedenen Altersstufen, Verletzungsrisiken, etc.). Die grundlegenden Wechselwirkungen zwischen Körper (Haltung), Geist (Vorstellungskraft / Aufmerk-samkeit) und Emotionen (Gefühlsausdruck) sollten bekannt sein und im eigenen Qigong-Unterricht bearbeitet werden.

IV Abschlußbemerkung

Ein/e Qigong-Lehrer/in wird nicht allein durch eine gute Ausbildung geboren! Ausbildung kann allenfalls eine Basis legen für einen verantwortlichen und qualifizierten Unterricht, der Wegbegleitung, Selbstentfaltung und Kreativität als oberste Ziele hat. Die Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten des Unterrichtens und Lehrerseins ist ebenso zu fördern wie die Einhaltung rechtlicher Grenzen!